Bergbau lässt Saarland beben
Menschengemachte Erdstöße lösen Proteste aus
Nalbach - Immer wieder erschüttern schwere Erdstöße die Region zwischen Trier, Kaiserslautern und Frankreich. Schuld ist der Bergbau. Jetzt machen die Bürger mobil.
VON WALTHER ROSENBERGER
Um fünf nach sieben kam das Beben. Erst knackten die Fensterrahmen. Dann ächzten die Dielen. "Mittlerweile weiß ich, wie ich mich schützen muss", sagt Silvia Heckel-Bach. "Nichts wie unter einen Türrahmen."
Am 3. Januar 2008 ließ das schwerste Beben seit Monaten den Kreis Saarlouis, in dessen Zentrum die Landeshauptstadt Saarbrücken liegt, erzittern. In Nalbach, dem Wohnort von Heckel-Bach, zeigten die Seismografen einen Wert von 3,6 an. Bei solchen Ausschlägen können Scheiben brechen oder Mauern Risse bekommen.
Das Saarland bebt, und Schuld daran ist der Bergbau. 54 schwere Erdstöße, die vom Schürfen unter Tage ausgelöst wurden, registrierten die Seismografen seit 2002 landesweit. Zählt man auch die kleineren Erschütterungen dazu, kracht und ächzt es bis zu dreimal wöchentlich. Allein in den ersten Wochen dieses Jahres waren es 25 Rumse, die den Bewohnern des Kreis Saarlouis in Mark und Bein fuhren. "Man kann hier nicht mehr abschalten", sagt Heckel-Bach. "Wir sind im Dauerstress."
Seit ihr Mann nach einer Bebenserie mit Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert wurde und eine Frau in einem Nachbarort von einem herabstürzenden Ziegelstein am Kopf verletzt wurde, hat die Problematik für die 52-Jährige eine neue Dimension erreicht. "Irgendwann reicht es", sagt sie.
So wie Heckel-Bach denken viele. Jede Woche kommen einige Hundert Anti-Bergbau-Demonstranten zu Protestkundgebungen. "Nach dem letzten schweren Beben Anfang Januar sind 1500 da gewesen", sagt Peter Lehnert, der Vorstand des Landesverbands der Bergbaubetroffenen Saar. "Da hätte es fast geknallt. Die Straßenschlacht war nicht weit weg." Die größte Befürchtung sei, dass die vom Menschen gemachten Erschütterungen unter Tage irgendwann einmal ein stärkeres natürliches Erdbeben auslösen könnten - eine These, die auch Experten teilen. Wegen ähnlicher Befürchtungen war Ende 2006 im schweizerischen Basel ein Tiefbohrungsprojekt von den Aufsichtsbehörden gestoppt worden.
In saarländischen Falscheid, keine zehn Kilometer von Nalbach entfernt, steht der Grund des Volkszorns. Hier betreibt die Deutsche Steinkohle AG (DSK) den Nordschacht des Berkwerks Saar. In einer Tiefe von bis zu 1700 Meter bauen Hunderte Kumpel drei bis vier Millionen Tonnen Steinkohle pro Jahr ab.
Die Flöze unter Tage gleichen gigantischen Kavernen und haben mitunter die Fläche von mehreren Hundert Fußballplätzen. Wenn über ihnen spröde Gesteinsschichten liegen - etwa Sandstein -, kracht es irgendwann, und eineinhalb Kilometer weiter oben wackeln die Häuser. Karlheinz Pohmer, Sprecher der DSK im Saarland, redet auch nicht drum herum: Eine "nennenswerte Beeinträchtigung" nennt er die Erdstöße. Allerdings leiste sein Unternehmen auch jährliche Wiedergutmachungen von bis zu sieben Millionen Euro.
Silvia Heckel-Bach nennt so etwas einen symbolischen Akt. Mittlerweile will sie nur noch weg aus Nalbach. Dazu müsste man aber das Haus verkaufen, und das geht nicht so einfach. "Dass es hier permanent kracht, hat sich herumgesprochen. Keiner will mehr Immobilien. Nicht mal die DSK."
Quelle:
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/s ... hp/1625079